Augsburger Puppenkiste - Tischlein deck dich
Regie, Text & Puppen: Andreas Becker
Bühnenbild: Traudl Vogler
Kostüme: Imke Henze
Premiere: 16. November 2002
Presse:
Das überwindliche Böse
Puppenkiste inszeniert faszinierend "Tischlein deck dich"
Der Ehrliche ist der Dumme? Fast scheint es selbst im Märchen so zu laufen, wäre da nicht der "Knüppel aus dem Sack", der auf seine Weise der Gerechtigkeit zum Sieg verhilft. In der neuen Inszenierung der Puppenkiste vom "Tischlein deck dich" krönt der tanzende Prügel ein bezauberndes und poetisches Marionettenspiel, das mit leichter Hand selbst die bösen Seiten des Lebens als überwindbare Widrigkeiten darstellt.
Große Glücksmomente erlebte man bei der Premiere am Samstag in der Puppenkiste. An der Inszenierung von Andreas Becker stimmt einfach alles: Beckers Figuren mit der Knollennase, aufwändig in altväterliches Wams gekleidet von Imke Henze, sowie die süßen Tierfiguren, wo das Mauseschwänzchen zittert und Eselsohren wackeln; die farbenfrohen Kulissen von Traudl Vogler wie aus dem Bilderbuch mit so hübschen Details wie den drehenden Zahnrädern an der Mühle oder die versenkbaren Blüten, wenn sich die Schneidersziege über sie hermacht. Ganz besonders rundet die Musik von Geoffrey Abbott im Volkston mit Zither, Klarinette und Akkordeon die Inszenierung ab. Das Duett von Katz und Spatz "Miau-miau-diri-diri-di" hat Ohrwurmqualität und wird sofort mitgesungen. Andreas Becker belässt das Grimmsche Märchen in seiner altertümlichen Welt. Die Schauplätze in Alpenlandschaft, in pittoresken Werkstätten und der spinnwebenverhangenen Wirtsstube wirken unmittelbar vertraut. Auch die Dialogsprache hat ein gehobenes Niveau, mitunter reden die Figuren sogar in Reimen miteinander. Wenn nicht gesungen wird. Vier lange Lehrjahre beim Tischler und beim Müller werden auf diese Weise zu einem kurzweiligen Vergnügen. Den Kindern zeigt sich ein harmonisches Meisterbild sehen sie Tischlerei und Mühle zugleich, doch agiert in diesem Singspiel jede Hälfte eigenständig - bis auf einen witzigen Rempler.
Mit vergnügter Clownerie spielt Andreas Becker die Szenen der verschlagenen Wirtsleute aus. Die Kinder ahnen sofort, dass die beiden zwar hinterhältig sind, aber nicht besonders helle auf der Platte. Mattes und Jettl, von Walter Schellemann und Marianne Wischmann mit passenden doofen Stimmen ausgestattet, zanken und verbünden sich, wie es Pack sprichwörtlich eigen ist. Effektvoll setzten sie dabei ihre dicken Bäuche ein. Besonders viel Spaß macht ihr Streit um das Menü auf dem wunderlich Tischlein: Ein Gedeck ums andere fliegt in Windeseile heran und davon, wobei der Braten tatsächlich dampft.
Staunenswerterweise kann der Esel Bricklebritt wirklich klimpernde Goldstücke speien, während sein boshaft ausgetauschter Artgenosse braune Bollen serviert ... Entzückende Rollen haben die kleinen Tiere, vor allem die freche Maus im Wirtshaus, die am Ende zu einer großen Überraschung kommt.
Natürlich geht das Märchen gut aus, wie ein ironischer Einwurf es einfordert. Endlich gehen sogar dem Schneider die Augen auf und er durchschaut das falsche Spiel seiner Ziege, die ihn beinahe um seine drei Söhne gebracht hätte. Die Nachbarinnen wussten es längst. Auch die Erwachsenen gehen bereichert aus diesem Spiel.
Augsburger Allgemeine, 18. November 2002