Joseph Conrad – Herz der Finsternis
110 Jahre ist es her, dass Joseph Conrad in seiner berühmten Erzählung Kapitän Marlow aus den kapitalstarken Metropolen losschickte, den mächtigen Kongo stromaufwärts zu fahren. Dieser weiße Fleck auf den Landkarten der Kolonialmächte hatte sich da schon mit der Kongo-Misson des belgischen Leopold II. blutrot gefärbt. Marlow begegnet auf seiner Fahrt teilnahmslosen Buchhaltern, skrupellosen Managern und schießwütigen Pilgern. Doch am äußersten »Vorposten des Fortschritts« wartet eine Begegnung auf ihn, die ihn zutiefst verstört. Kurtz, dem Leiter der Handelsstation, eilt ein zweifelhafter Ruf voraus. Und tatsächlich offenbaren sich Marlow hier in fast tödlicher Faszination die Abgründe der eigenen Zivilisation.
Regie: Stefan Nolte
Bühne & Kostüme: Andreas Becker
Dramaturgie: Ruth Feindel & Jutta Wangemann
Mit: André Benndorff, Gabriel von Berlepsch, Jennifer Lorenz
Premiere: 14. Mai 2010Â
Presse:
… „Als Leser (…des Romans…) fällt es nicht schwer, sich der Stimme eines im Nebel der Themsemündung unsichtbaren Erzählers zu ergeben, sich von ihr in die Bilder der Phantasie tragen zu lassen. Die Theatersituation dagegen fordert Bilder. Diese Forderung erfüllen Stefan Nolte (Regie) und Andreas Becker (Bühne, Kostüm) recht geschickt. So wie die Reise in die Vorzeit der Menschheit gelesen werden kann, bedient sich die Inszenierung der Mittel aus technischer Vorzeit: Wassertropfen auf Overheadprojektor markieren mal die Schüsse der „Zivilisation“ in die weiße Wildnis, mal die Ströme von Wasser und Blut. Und die noch ältere Technik einer Live-Hinterplexiglasmalerei, die nach dem Herunterreißen des weißen Kartenpapiers zum Vorschein kommt, lässt das Schwarz des Kontinents, des in jeder Hinsicht schmutzigen Handwerks der Ausbeutung elegant sichtbar werden. Der Digicam-Einsatz ergänzt die Lesart als Reise in die eigene Finsternis, die mit Haaren als Urwald begonnen hat, durch die Flussaufwärtsfahrt als Kamerafahrt über ein Rinnsaal zwischen Brustbehaarung“…
Badische Zeitung, 17. Mai 2010