..." Das Libretto von Paolo Madron verwebt geschickt Teile der Geschichte mit der Biografie des Autors, dessen realer Flugzeugabsturz 1935 in der Wüste Ägyptens zum Ausgangspunkt der wundersamen Begegnung mit dem kleinen Prinzen wird. Ronny Scholz ließ sich in seiner Inszenierung von diesem Kunstgriff inspirieren. Zusammen mit seinem Ausstatter Andreas Becker entwicklet er die Dramaturgie aus der kleinen Welt des jungen Antoine und seines Modellflugzeuges. (...) Nur wenig später stürzt er als Erwachsener mit dem Flugzeug in Originalgröße durch die Decke des Kinderzimmers. Es kommt zur ersten Begegnung mit dem wunderlichen Prinzen, der ihm von seiner abenteuerlichen Suche nach seinem kleinen Heimatplaneten B 612 un den drei Vulkanen und der geliebten Rose erzählt. Spätestens hier beginnt der eigentliche Zauber der liebevollen und minutiös durchdachten Erzählweise, wenn der kleine Prinz, als lebensgroße, fein animierte Marionette durch das Weltall fliegt, auf den fiebrig rechnenden Geschäftsmann trifft und nacheinander den König, die Eitle, den Fuchs und die Schlange kennenlernt. Das ist bunt, krumm, phantasiereich, surreal und märchenhaft. Alle Register bester Kinderbuchgestaltung werden gezogen, die staunenden Augen werden nicht satt an den ausladenden Kostümen und der üppigen Ausstattung, die an ihnen auf der Bühne vorbeiziehen. Mit perfekten Videoprojektionen fliegt de Saint-Exupéry durch das Theater, die zischelnde Schlange wird dagegen nach bestem traditionellen Theaterhandwerk auf die Bühne gezogen und an der Gestaltung der Fuchspuppe durfte sich Andreas Becker sichtlich austoben. (...) Zum Ende kumulieren die Erlebnisse des kleinen Prinzen in einer dunklen Fata Morgana. Die Figuren verzerren sich grausig in einer dystopischen fiebrigen Phantasie, in diesem Moment bricht die reale Welt der Erwachsenen unbarmherzig durch. Der Pilot sitzt schließlich auf seinem Kinderbett und blickt wehmütig auf sein geliebtes rotes Modellflugzeug. Dann fällt der Vorhang. Der kleine Prinz mit seinen Sehnsüchten und Fragen ist nur noch eine Utopie. Und man bleibt still und berührt zurück. Das ist dann schlicht großes Theater. Für Jung und Alt!".

Mittelbayerische Zeitung, 10. November 2024